15.03.2018

Aerosole, Zigarrenrauch, Mukoviszidose und das Delphi im Silicon Valley

Chris Müller Chris Müller
Perspektive

Aerosole, Zigarrenrauch, Mukoviszidose und das Delphi im Silicon Valley

Dienstreise nach Kalifornien, genauer: Silicon Valley – das Zaubertal der Innovation und Digitalisierung. Und so viele Antworten auf Fragen, die wir uns nie getraut haben zu stellen: Wie fühlt es sich an, wie ein Vogel durch New York zu fliegen? Kann mein Kühlschrank denn nicht selbstständig einkaufen? Können wir uns als Hologramm auf sämtliche Plätze dieser Welt transferieren? Das Silicon Valley hat auf all diese Fragen eine faszinierende Antwort. Und dann erwischte ich mich dabei, mich selbst zu fragen: „Und was ist deine Antwort auf Mukoviszidose, Silicon Valley?“ Ich dachte, ich stünde im Orakel vom Delphi des digitalen Zeitalters. So viel Innovation, so viel Forschungsgeld, so viele neue Ansätze… – und nichts dabei, das meine Tochter von diesem (noch) unheilbaren Gen-Defekt befreien kann und allen Betroffenen eine hoffnungsvolle Prophezeiung voraussagt? Doch! Wir müssen nur die Frage anders stellen.

Das Silicon Valley ist ein fantastisches Beispiel, wie durch die Vernetzung unterschiedlicher Menschen, unterschiedlicher Bedürfnisse, unterschiedlicher Erfahrungen, unterschiedlicher Erkenntnisse Innovation entstehen kann. Mit viel Spieltrieb, Enthusiasmus und Durchhaltevermögen haben Menschen hier große Evolutionsschritte hingelegt. Auch die großen Riesen, wie Facebook und Google, mussten auf ihrem Weg harte Rückschläge hinnehmen, bis sie endlich zum alles entscheidenden Moment gekommen sind. Ähnlich geht es uns im Kampf gegen Mukoviszidose und für ATMOS.

Wir haben schon viel geschafft. Trotzdem gibt es immer wieder Rückschläge einzustecken. Doch der positive Rückenwind überwiegt bei Weitem. Und so haben wir es zu einem kleinen Teil auch schon geschafft, das Hope Valley zu werden. Durch ATMOS stehen wir in Kontakt mit zahlreichen medizinischen Forschungseinrichtungen, erhalten Mails und Nachrichten von Betroffenen, werden von Prominenten unterstützt… und wurden somit zu einem neuronalen Knotenpunkt in einem umspannenden Netzwerk.

Ein schönes Beispiel dafür ist eine App, die wir zusammen mit der Firma Catalysts entwickeln. Mit ihren High Performance Computern verarbeiten sie pro Sekunde Trillionen von Daten für die Raumfahrtbehörden NASA und ESA. Ihre Satelliten erfassen auch schwebende Teilchen in der Luft – sogenannte Aerosole.

Dadurch lässt sich feststellen, wann und wo der wohltuende Salzgehalt die richtige Konzentration hat, um Mukoviszidose-PatientInnen freier durchatmen zu lassen. Kombiniert mit Bewegungstherapie kann sich so der Schleim aus der Lunge lösen und die Bronchien können die Luft voll einsaugen. Das perfekte Beispiel, wie die Kombination aus Data-Mining, High-Tech und medizinischer Erkenntnis das Leben von Menschen, wie meiner kleinen Tochter, erleichtern kann.


Prognosen sind schwierig – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen

Als Vater möchte man trotzdem manchmal verzweifeln, weil die Prognose so unausweichlich wirkt. Durch das Umsetzen von ATMOS treffe ich allerdings sehr viele Menschen, die mir unendlich viel Mut machen. So auch auf der Reise durchs Silicon Valley, wo ich durch Zufall einen Mukoviszidose-Patienten kennenlernte. Ein 38jähriger Broker, der genüsslich eine Zigarre paffte.

Ich habe noch nie einen Betroffenen in diesem Alter und schon gar keinen rauchenden persönlich kennengelernt. Er meinte ganz locker und entspannt, er inhaliere ja nicht. Sein Zigarren-Qualm war für mich wie die Dämpfe aus den Höhlen Delphis – weil er meine Perspektive plötzlich veränderte. Der Broker bestärkte mich mit dem schönen Zitat: „Prognosen sind äußerst schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.“ Das stimmt. Wir wissen heute nicht, welche Innovationen morgen aus Silicon Valley, Delphi oder aus uns selbst kommen. Wir müssen allerding vermehrt dafür Sorge tragen, dass wir der Zukunft alle Chancen einräumen! Dann können wir uns unsere Antworten selbst geben.